Chilly Gonzales: Klassik im Pop-Morgenmantel

Pianist Chilly Gonzales hatte Unterstützung von Jarvis Cocker und dem Kaiser Quartett.

Pianist Chilly Gonzales hatte Unterstützung von Jarvis Cocker und dem Kaiser Quartett.

Zwischen Hochkultur und Unterhaltung lässt der Pianist Chilly Gonzales das Jahr in der Kölner Philharmonie ausklingen. Bei seinem Konzert bricht er nicht nur eine Lanze für seinen Kumpel Brahms, sondern auch für seine Leidenschaft, den Rap.

Er fühlt sich wie Zuhause. Das jedenfalls signalisiert das Outfit von Chilly Gonzales an diesem Sonntag-Abend kurz vor Jahresende. In gemütlichen Pantoffeln und auberginefarbenem Morgenmantel setzt er sich pünktlich um 20 Uhr an sein Klavier im ausverkauften Konzertsaal. Was das zumeist jüngere Publikum in den nächsten zwei Stunden erwartet, ist nichts Geringeres als die Pop-Classic-Show des selbsternannten „musical genius“.

Bereits zum vierten Mal spielt der Kanadier, der seit einigen Jahren Kölner ist, sein Dezember-Konzert in der Philharmonie. In diesem Jahr gleich an zwei Abenden hintereinander. Unterstützt wird Chilly Gonzales traditionsgemäß vom Kaiser Quartett aus Hamburg. Der Schlagzeuger Joe Flory in rosa Socken komplettiert das Ensemble.

Die ersten 20 Minuten kommt Gonzales aber zunächst ganz ohne Streicher und Drums aus. Hingebungsvoll spielt er Stücke seiner zwei Platten Solo Piano I und II. Bei Titeln wie Rideaux lunaire (dt.: mondbeschienene Vorhänge) schwelgt man förmlich zwischen Klassik und sanftem Jazz davon.

Chilly Gonzales begeistert sich für Sprechgesang

Doch Chilly Gonzales eigentliches Talent entfaltet sich vor allem im Mix von Musikstilen. Die große Leidenschaft des 42-Jährigen gilt dem Rap. Gonzales bezeichnet sich selbst als „schlechtesten MC“, das mindert aber nicht seine Begeisterung für den Sprechgesang. „Wo in Opernarien über Gefühle und die innersten Empfindungen gesungen wird, ist ein Rapsong das Gegenteil davon. Da wird alles direkt gesagt“, erklärt er lässig dem Publikum. Mit eigenen satirischen Rapzeilen zeigt er dann, wie er seinem Piano zusammen mit den Streichern und dem Drumkit stampfende Beats entlockt. Eine Lehrstunde der Musik, ohne belehrend zu sein. Was vorher träumerisches Schwelgen war, wechselt nun mit begeistertem Kopfnicken und wippenden Beinen.

In diesem Stil führt Chilly Gonzales zum bereits bewährten Wagner-Bashing über. Mit dessen musikalischer Auffassung könne er nichts anfangen und dennoch müsse der Musiker täglich über die unsägliche Richard-Wagner-Straße in Köln gehen. Dabei ist er doch im „Team Brahms“. Für diesen Komponisten gebe es keine Straße in der Domstadt, nur 20 Meter Straße in Euskirchen. Das hätte seine Google Maps-Recherche ergeben. Im Song „The Grudge“ rappt sich Gonzales seinen Ärger von der Seele. Seine gegelte Tolle ist längst Schweiß durchtränkt und wirbelt unter den energischen Kopfbewegungen umher.

Jarvis Cocker als Gast

Das Gleichgewicht stellt schließlich der Gaststar Jarvis Cocker wieder her. Der Frontmann der einstigen Brit-Popband Pulp ist eigentlich ein Format für sich. In braunem Cordanzug, mit Hipster-Brille, Retro-Krawatte und ausladenden Gesten ist der schlaksige Sänger personifizierte Bühnenpräsenz. Gonzales stört das keineswegs. Das Gespann Gonzales-Cocker funktioniert offenbar, denn seit einiger Zeit feilen sie an gemeinsamen Songs. Cocker schreibt, Gonzales arrangiert. Das Publikum in der Philharmonie bekommt drei Stücke zuhören. Sie sind inspiriert vom Flair des alten Hollywood, von Diner-Restaurants und Hotelzimmern, die von Rock-Stars verwüstet werden wollen.

Nach zwei Zugaben endet der Streifzug durch die Klassik- und Pop-Gefilde. An den begeisterten Gesichtern im Publikum zeigt sich, dass Gonzales mit seinem Stilmix richtig liegt, um die Kluft zwischen E- und U-Musik zu verringern. Vielleicht sieht man den ein oder anderen Besucher ja schon bald bei einem Konzert von Team Brahms oder den Sinfonie-Abonennten mit einer CD von Max Herre.
(Text: Jenny Lepies)

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