Film: “Somewhere” hinter den traurigen Kulissen

Glanz und Glamour, ein erfülltes Leben im Blitzlichtgewitter – der umjubelte Hollywood-Schauspieler Johnny Marco ist dennoch im Star-Alltag nicht glücklich. Sofia Coppola zeigt in ihrem Film “Somewhere” (2010), was nach Drehschluss passiert.

Johnny Marco ist ein umgarnter Schauspieler. Gerade ist sein neuer Film erschienen. Wunderschöne Frauen begehren ihn, er bekommt sie alle und ist auf jeder Party eingeladen. Durchzechte Nächte gehören dazu, genauso wie ein zufälliges Treffen mit dem “echten” Benicio del Toro im Fahrstuhl. Das sind die schillernden Momente im Leben des Stars. Dazwischen dominieren Marcos leere Blicke, trübsinnige Autofahrten in seinem schwarzen Ferrari auf einer Rennstrecke im titelgebenden Irgendwo und schier endlosen Poledance-Einlagen von zwei blonden Zwillingen im knappen Tennisdress. Einzig seine elfjährige Tochter Cleo aus einer früheren Beziehung scheint Johnny Marco Halt zu geben. Normalerweise ist sie nur übers Wochenende bei ihm, doch jetzt muss er sich ein paar Tage um sie kümmern. Sie begleitet ihn zu Promo-Auftritten nach Italien, bereitet ihm Frühstück zu und betrachtet ganz Trennungskind-mäßig argwöhnisch eine der Geliebten ihres Vaters. Als Cleo sich ins Feriencamp verabschiedet, wird Marco seine Leere erst richtig bewusst.

Pop-Star im Medienzirkus

Mit ihrem vierten Film hat Sofia Coppola eine ernüchternde Geschichte in Bewegtbilder gefasst. Zu Zeiten, in denen das Fernsehprogramm überquillt mit Formaten, die mehr oder minder talentierten Sternchen ein schillerndes Popstar-Dasein versprechen, schaltet Coppola die Kamera gewissermaßen hinter den Kulissen an: Was passiert nach Drehschluss, nach der glamourösen Preisverleihung, nach der x-ten Pressekonferenz? Wer Johnny Marco eigentlich ist, wird er bei einer dieser Medienzirkusse gefragt.

Marco weiß es selbst nicht. Er ist müde und im von seiner Agentin Marge organisierten Star-Alltag irgendwie erstarrt. Die Gips-Maske, die von seinem Kopf für einen neuen Film gemacht werden muss, wird zum Sinnbild seines Daseins. Nur durch zwei Löcher für die Nase bekommt er Luft, schwere Atemzüge sind minutenlang zu hören, während die Kamera unaufhörlich den weißen, fest werdenden Gipskopf zeigt. In der nächsten Einstellung ist die Filmmaske fertig: Marco ist ein alter, einsamer Mann geworden.

Ernüchternd und sehenswert

Dieses stille Werk ist aus ästhetischer Sicht ein mutiger Film. Lange Kameraeinstellungen sind in Zeiten von schnellen Schnitten selten geworden. Ebenso besticht „Somewhere“ durch einen unaufdringlichen Soundtrack, im Mittelpunkt stehen die Geräusche der Ferrari-Reifen auf Asphalt, Topf- und Geschirrgeklapper von Cleo und erschöpfte Seufzer. Es passiert vielleicht nicht viel in der Geschichte von „Somewhere“, doch die Leistung der talentierten Elle Fanning als Cleo, des trist dreinblickenden Stephen Dorff als Protagonist und der Mut Coppolas zu diesem ernüchternden Blick hinter das heutzutage oft ersehnte Star-Leben, machen „Somewhere“ zu einer sehenswerten Geschichte.
(Text: Jenny Lepies)

 

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