Theater: Schiller trifft Wrecking Ball

Szenenbild der Inszenierung "Kabale und Liebe"

Inszenierung “Kabale und Liebe” am Schauspiel Köln. Foto: David Baltzer

Von Miley Cyrus bis Napoleon: Anspielungsreich inszeniert Simon Solberg am Schauspiel Köln das bürgerliche Trauerspiel Kabale und Liebe. Das echte Stück Popkultur aus dem 18. Jahrhundert erhält den erforderlichen Anstrich Moderne und besticht durch fulminantes Bildtheater, ohne die Leidenschaft der Geschichte zu übermalen.

Es ist eine Liebesgeschichte, wie sie für die Epoche des Sturm und Drang typisch ist: Eine Liebe über gesellschaftliche Grenzen hinweg, leidenschaftlich, ohne die Beachtung von Konventionen. Die zwei Turteltäubchen sind Ferdinand, adliger Sohn des Präsidenten, und Luise, Tochter aus bürgerlichem Hause. Doch Ferdinands Vater, Walter, ist gegen diese Beziehung, steht sie doch seinen Machtgelüsten im Wege. Lieber soll der Sprössling die einflussreiche Lady Milford heiraten. Durch ihren guten Draht zum Herzog könnte Walter seinen Machtbereich erweitern. Ein Netz aus Intrigen (Kabale) entspannt sich: Luises Mutter wird entführt, ein falscher Liebesbrief erpresst und das junge Glück entzweit. Das  Finale ist so tragisch und leidenschaftlich wie die Liebe von Ferdinand und Luise selbst: Für beide gibt es nur noch den Tod, um die Reinheit der Seele wieder herzustellen.

Der junge Theatermann Simon Solberg, hochgelobter Nachwuchsregisseur, tut für das bürgerliche Trauerspiel von 1774 genau das, was für eine Inszenierung des rebellischen Stücks erforderlich ist: Laut, bunt, plakativ und mit Versatzstücken aus Gegenwart und Zeitgeschichte nutzt er die Mittel des Theaters, um die Authentizität, die Körperlichkeit der Geschichte zu verdeutlichen. Pop-Einspieler am Klavier, brachiale Industrial-Klängen aus der „phatten“ Soundanlage, neon-farbene Körperbemalungen, Video-Projektionen und Stroboskop-Licht machen Kabale und Liebe zu einem wilden Action-Stück.

Amazon-Lagerhalle als Kulisse der Inszenierung

Seine Protagonisten Ferdinand (Marek Harloff) und Luise (Annika Schilling) lässt er zwischen der an eine Amazon-Lagerhalle erinnernde Kulisse aus Pappkartons ihre Liebe finden und auch wieder verlieren. Der machtgierige Vater Walter (Wilhelm Eilers) erinnert nicht von ungefähr an Amazon-Chef Jeff Bezos. Während Ferdinand sich zunehmend mit Matsch und Farbe besudelt und zeitweise ein „Team Snowden“-Trikot trägt, räkelt sich Luise in bester Miley Cyrus-Manier auf einem Wrecking Ball, um danach mit zuckriger Limonade und einem schaumartigen Gift von Ferdinand bespritzt zu werden. Am Ende ist es auf der Bühne ein ziemliches – man kann es nicht anders sagen – Geschmadder und in all dem Mix aus Körpern und Flüssig- und Klebrigkeiten finden die beiden wieder zueinander.

Theater mit kolossalen Bildern

Wer bei Solbergs Inszenierung auf eine klassische Wiedergabe der Geschichte hofft, wird bitter enttäuscht. Kabale und Liebe reiht sich demnach nahtlos ein in die Regiearbeiten des 35-Jährigen. Schillernd und extrem geht es stets bei ihm auf der Bühne zu. So siedelte er beispielsweise seinen „Faust“ am Münchner Volkstheater im Schweizer Kernforschungszentrum Cern an. Kabale und Liebe benötigt diesen Transfer in die Moderne ebenfalls – Solberg gehorcht damit nur dem, was dem Stück an Rebellentum und Innovationsgeist sowieso inne wohnt. Wer sich darauf einlassen kann, dem werden in dem zweistündigen Schauspiel die passenden kolossalen Bilder dazu geliefert.
(Text: Jenny Lepies)

Kabale und Liebe im Schauspiel Köln

Nächste Vorstellungen: 9. Mai, 13. Mai, 16. Mai, 28. Mai, 22. Juni, 27. Juni am Schauspiel Köln.

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